Veranstaltung: | Sitzung des Studierendenparlaments 24/25 am 12.06.25 |
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Tagesordnungspunkt: | 4. Anträge |
Antragsteller*in: | Linke Liste |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 02.06.2025, 09:57 |
A1: Gedenken an die studentische Bücherverbrennung 1933
Antragstext
In Gedenken an die studentische Bücherverbrennung am 10. Mai 1933 möge das
Studierendenparlament beschließen:
Wir - als Studierende der Julius-Maximilians-Universität Würzburg 92 Jahre nach
der Bücherverbrennung - stehen geschlossen für die historische Verantwortung,
die sich aus der NS-Zeit ergibt und setzen uns für eine gelebte und
multiperspektivische Erinnerungskultur ein.
Vor 92 Jahren allerdings waren v.a. Studierende bei der Bücherverbrennung
beteiligt. Und auch das gehört zur Erinnerungskultur, zur Demokratiebildung zum
„Nie-Wieder“ dazu: Anzuerkennen, dass Menschen in ähnlichen Positionen wie wir
sie heute haben – als Studierende, in Hochschulgruppen, etc. – massiv an der
Verbreitung gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und an den damals begangenen
Gräueltaten beteiligt waren. Ein Gedenken kann für uns nur folgerichtig sein,
weil auch wir Studierende in Würzburg sind und es deswegen unser Beitrag sein
muss, das Übel zu benennen, das Studierende vollbracht haben und daraus die
entsprechenden erinnerungspolitischen Konsequenzen zu ziehen. Dazu möchten wir
die Erinnerung an die Taten wachhalten und vor Entpolitisierung,
Dethematisierung und Dekontextualisierung schützen, die Studierendenschaft für
ideologische und strukturelle Kontinuitäten sensibilisieren und Räume für die
Perspektiven der Opfer von Entmenschlichung, Verfolgung und Gewalt schaffen.
Dieses Gedenken gewinnt weiterhin an Wichtigkeit, in einer Zeit, in der offen
antidemokratische und wissenschaftsfeindliche Ideologien wieder weltweit
erstarken. Die Würzburger Studierendenvertetung darf die Fehler der
Vergangenheit nicht wiederholen. Ein Bekenntnis zum Gedenken, zum Nicht-
Schweigen ist ein Bekenntnis zur Demokratie und ihren Werten.
Der 10. Mai soll zu einem universitätsweiten Gedenktag werden. Hierfür ist die
Universitätsleitung aufgefordert, die Studierenden über die studentische
Bücherverbrennung am 10. Mai 1933 aufzuklären. Eine Aufklärung soll einerseits
über die verfügbaren elektronischen Kanäle wie etwa Rundmails an alle
Studierenden und den unieigenen Social Media-Accounts erfolgen, sowie zusätzlich
durch Aufklärungsangebote wie Vorträge, Workshops oder Ausstellungen. Dabei soll
der 10. Mai zusätzlich zum Anlass genommen werden, über die Rolle der
Studierenden im Allgemeinen und der Universität Würzburg im NS-Regime zu
informieren.
Fällt der 10. Mai auf ein Wochenende, sollen entsprechende Pläne in der
Folgewoche umgesetzt werden.
In den (Teil-)Bibliotheken soll in der Woche des 10. Mais durch Aushänge auf die
studentische Bücherverbrennung hingewiesen werden.
Die Pläne für den 10. Mai sind in Absprache mit der Studierendenvertretung zu
entwerfen. Der Studentische Sprecher*innenrat wird mit der Zusammenarbeit an den
Plänen zu diesem Gedenktag beauftragt.
Begründung
Die Deutsche Studentenschaft (DSt), ein Zusammenschluss der ASten deutscher Hochschulen, war schon vor 1933 von der Ideologie der Nationalsozialisten geprägt. Im April 1933 rief diese Deutsche Studentenschaft ihre Organe zur „Aktion wider den undeutschen Geist“ auf, deren Höhepunkt öffentliche Bücherverbrennungen am 10. Mai sein sollten. In über 20 Städten wurde diesem Aufruf gefolgt.
Auch in Würzburg fand diese Bücherverbrennung statt. Am 06. Mai „säuberten“ Würzburger Studierende 13 Leihbüchereien. Maßgeblich verantwortlich waren studentische Zusammenschlüsse wie der Nationalsozialistische Studentenbund oder die „Stahlhelm“-Studentengruppe. Am 10. Mai wurde diese Bücher auf dem Residenzplatz verbrannt.
Die „Aktion wider den undeutschen Geist“ berief sich auf die Bücherverbrennung beim Wartburgfest 1817 und hatte zum Ziel, unliebsame Werke zu vernichten. So schrieb z.B. der NS-Autor Hanns Johst, dass die „nationalsozialistische Revolution“ nicht haltmachen würde „vor den Tischen, an denen gedichtet und geschrieben wird“. Die Studierenden sprachen von der Literatur, die sie verbrannten als „rassefremde, marxistische, bolschewistische und sonstige Zersetzungs- und Schundliteratur“. Goebbels sprach davon, dass die Nation beweisen müsse, sie sei innerlich und äußerlich gereinigt. Der Main-Post-Artikel, der 2013 zum 80ten Jahrestag der Bücherverbrennung erschienen ist, zitiert auch den Ältesten der Würzburger Studentenschaft, Alfons Ilg. Dieser sagte, das deutsche Volk dürfe nicht mit „fremdrassigen und marxistischen Schriftstellern gefüttert“ werden.
In der „Deutschen Kultur-Wacht“, Heft 9, erschienen 1933 heißt es: „Der jüdische Geist, wie er sich in der Welthetze in seiner ganzen Hemmungslosigkeit offenbart, und wie er bereits im deutschen Schrifttum seinen Niederschlag gefunden hat, muss aus diesem ausgemerzt werden.“
Die Nationalsozialisten nutzten diese Aktion zur öffentlichen Abschreckung, zur Stummschaltung oppositioneller Stimmen und zu menschenfeindlichster Propaganda. Die Würzburger Studentenschaft beteiligte sich aktiv.
Als Studierende wollen wir daran erinnern, dass auch wir große Verantwortung haben. Die schreckliche Menschenfeindlichkeit, die sich auch unter den Studierenden breit gemacht hatte, muss weiterhin aufgearbeitet werden. Da dies gar nicht bzw. in unzureichendem Maß geschieht, sehen wir ein Gedenken an die studentische Bücherverbrennung in Würzburg als notwendig und längst überfällig.
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